Vorwiegend-Originalsubstrat-Mensch

 

Na ja, diese Menschen! Dumm nur, dass man selbst dazugehört. Man könnte sich ohrfeigen dafür. Aber es lässt sich nicht ändern. Meinte man. Bis vor kurzem.

 

Falsch! Mann arbeitet daran. Was Erziehung niemals schaffte und keine Moral, ein paar Mikrochips werden’s vielleicht richten. Der alte Standartmensch, also wir, wird abgelöst. Gut so. Warum auch nicht. Es gibt sicher Besseres.

 

Am wissenschaftlichen Horizont geht er bereits auf, wie eine Sonne, der neue Mensch, in zweiter, vollständig überarbeiteter Auflage! Als halbe Maschine zwar, aber dafür haltbarer. Ein Mischwesen aus Natur und Technik, engelgleich, beinahe göttlich, denn wir, Produkte der Evolution, nähern uns Gott, werden immer „intelligenter, schöner, kreativer – alles, was wir Gott nennen“, so das Glaubensbekenntnis eines Computerspezialisten.

 

Bin ich intelligent, schön und kreativ? Nein? Werde ich aber, wenn ich mit unseren Kreationen, mit unserer Technologie, verschmelze. Die Schönheitschirurgie wird sich um mein Äusseres kümmern, Nanoboter werden mein Gehirn elektronisch aufrüsten, Implantate werden es möglich machen, direkt mit Computern zu kommunizieren, und ich werde, Halleluja, hundert Mal so viele E-Mails lesen, Tausende Internetseiten anklicken und mit ganz ganz vielen Menschen reden können. Wollte ich das? Spielt keine Rolle. Ist doch toll! Und es kommt noch besser: Meine Software wird weiterleben, wenn mein Fleisch, falsch, meine Hardware, längst den Gang alles Irdischen gegangen ist. Solange jedenfalls, als sie jemand auf die eigne Hardware herunterlädt. Ansonsten bleibt mir nur die kurze Existenz eines VOM: „Vorwiegend-Originalsubstrat-Mensch“.

 

Immerhin darf ich mich weiterhin zu den alten Dummheiten hinreissen lassen, den natürlich gewachsenen und nicht künstlichen gezeugten und sagen, in aller Originalsubstratbeschränktheit: Die Computer werden den Menschen immer ähnlicher – sie können bald alles, ausser denken.

 

Silvia Strahm Bernet

 

 

© Silvia Strahm 2017 / Essay