Innovativ

 

Innovativ. Ein schöne Wort. Es klingt zwar nicht, aber was es erzeugt, ist ganz wunderbar. Was wären wir ohne Ideen und ohne Phantasien. Ohne die endlose Erzeugung von Neuem. Diesem ständigen Türen öffnen, Räume erschliessen, Dinge erfinden. Weitergehen. Vorwärtsdrängen. Ja, was wären wir. Oder besser: wo wären wir. Wir würden in Höhlen hocken, sagt man uns. Wir würden uns die Läuse aus dem Pelz pflücken, an Pfeilspitzen basteln und Beeren sammeln. Das macht uns Menschen aus. Dass wir immer wieder Dinge erfinden. Nützliche Dinge, Dinge, die uns das Leben leichter machen. Zu Anfang wenigstens. Wir erfinden natürlich auch Dinge, die uns das Leben schwerer machen. Manchmal unbeabsichtigt, im Vorbeigehen, zufällig. Wir erfinden Dinge, die haben eine Rückseite. Die ist nicht schön. Nur vorne glänzen sie. Wie ein frischgewaschenes Auto. Hinten stinken sie, manchmal zum Himmel. Vernebeln und verdüstern unsere Aussicht auf Zukunft. Solche Dinge gibt es viele. Man nennt sie Schattenseiten, man sagt, sie sind der Preis, den wir bezahlen oder ganz neutral, die Zweideutigkeit unseres Tuns. Das ist nett formuliert. Und stimmt auch irgendwie.

 

Und wir erfinden ja nicht bloss immer neue Dinge und benutzen sie, wie man ein Werkzeug benutzt und dann auch wieder weglegt. So als sei die Hand noch dieselbe und wir mit ihr. Die Dinge, die wir erfinden, verändern uns. Sie verändern unsere Art und Weise, in der Welt zu sein. Schnell werden sie uns zu Armen, Beinen, Ohren und Augen. Nimmt man uns das Auto weg und das Flugzeug, das Handy, den Fernseher, den Computer, das Internet und unsere Maschinen und Kreditkarten – nimmt man uns nicht bloss unsere Arbeitsinstrumente und Spielzeuge weg. Man entzieht uns nicht das Überflüssige, man nimmt von unserer Substanz, denn die Dinge sind Fleisch von unserem Fleisch. Und so erfinden wir um unseres Überlebens willen weiterhin allerlei Dinge, notwendige und überflüssige, hilfreiche und schreckliche, solche, die uns glücklich machen und solche, die uns dumm machen. Wir bauen weiter an unserer fragilen Welt, die weit weg ist von Boden, Pflug und Hammer, von Brot und Wasserstelle; an einer Welt, die manchmal einem Hochhaus gleicht, auf das man immerzu ein neues Stockwerk baut. Wer zu Boden schaut, den schwindelt. Nur nach oben scheint der Weg noch offen. Und doch, dem Himmel manchmal nah, verschwindet der Verdacht nie ganz, das, was man hier baue, sei kein Haus, sondern eine Wendeltreppe ins Nichts.

 

Silvia Strahm Bernet

 

 

© Silvia Strahm 2017 / Essay