Ich-Marke

 

Man muss etwas aus sich machen. Frau auch. Ohne Schein kein Sein. Jedenfalls kein bemerkenswertes. Und bemerkt werden will so ein Mensch, ein normaler. Also muss er etwas hermachen. Besser noch: etwas vormachen. Ein bisschen Täuschung muss sein. Lügen wird empfohlen, speziell jenen, die es nach Macht gelüstet. Wer sich mit ihr liiert, muss schon ein paar Tricks beherrschen. Schliesslich, heisst es, ist es in gewisser Hinsicht gerade unsere Fähigkeit zu lügen und zu täuschen, die uns von den Tieren unterscheidet. Welch ein Glück, ein Mensch zu sein!

 

Ernsthaft. In einer Welt der Fassadenkünste muss man sich schon anstrengen. Frauen wissen das seit jeher, die Männer lernen es gerade. Attraktiv macht sie nicht länger Ferrari und Bankkonto, sondern Bauchmuskulatur und knackiger Hintern. Das Leben ist schön, aber ungerecht. Den einen ist’s gegeben, die andern müssen’s operieren. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Skalpell.

 

Das ist zu plump? Gut. Schön, wenn es tatsächlich komplizierter ist. Und es ist komplizierter, sagen die, die es wissen müssen. Selbstdarstellung alleine genügt heute nicht mehr, sagen die BeraterInnen der Lebens-UnternehmerInnen. Auf schöne Attrappen und aufgeblähte Mogelpackungen fällt niemand mehr herein. Nein, heute ist echte Persönlichkeit gefragt und edler Charakter. Eine Mischung aus Ethik, Sozialkompetenz, Lifestyle, Ästhetik, Lebenslust und Lust auf unlimitierten Erfolg. Solche Leute besitzen Charisma, sind strahlende Sterne jenseits jeglichen Mittelmasses. Sie verstehen etwas von Beziehungen, setzen sich für die Schwächsten ein, übernehmen Verantwortung, koppeln persönlichen Erfolg mit Grosszügigkeit, geben nie auf. Sind sie Heilige? Gibt es sie? Ja. Selten. Aber es gibt sie. „Ich-Marken“(Sonja A. Buholzer) sind es, nicht zu kaufen, aber uns allen zur Nachahmung empfohlen. Und die Welt wird besser? Vielleicht, wer weiss. Ein Versuch lohnt. Ansonsten bleibt uns der Trost: „Ich war der beste, den ich jemals hatte.“ (Woody Allen)

 

Silvia Strahm Bernet

 

 

© Silvia Strahm 2017 / Essay