Die neue Barbie

 

Barbie kennen alle. Als Albtraum oder als sehnlichsten Wunsch. Barbie lässt sich nur schwer umgehen. Wie Hamburger und Videospiele. Sie ist eine kindliche Wachstumsstörung und verschwindet von alleine. Meistens. Manche begleitet sie ein Leben lang. Ideologische Vorbehalte? Die sind so veraltet wie die Barbie aus feministischen Zeiten. Und wir leben jetzt schliesslich im Zeitalter des „post“ – nichts Neues in Sicht, aber wenigstens etwas vorbei. Aber das ist ein anderes Thema.

 

In postfeministischen Zeiten ist Barbie kein Problem. Weil wir nicht so dumm sind, so etwas ernst zu nehmen. Ein klein wenig so aussehen wie Barbie, warum nicht? Wir sind so frei – mit Hilfe von Messern und chemischen Zusätzen. Aber nach wie vor ist unser Hirn besser entwickelt als Barbies Busen.

 

Und schliesslich ist auch Barbie, wie wir, nicht mehr die, die sie einst war. Sie entwickelte sich weiter. Nicht zur Universitätsprofessorin oder Atomphysikerin, sondern zur Schlampe. Die neue Barbie säuft und raucht und grölt. Miss Guzzler heisst die eine, die andere Turleen – sie ist siebenfache Mutter, dreimal verheiratet und Kellnerin. Man merke, ganz nebenbei: eine Schlampe ist eine Kellnerin mit sieben Kindern oder umgekehrt.

 

Aber nicht genug mit Miss Guzzler und Turleen. Eine weitere „supercoole Chick“ erweitert den amerikanischen Puppenmädchenreigen. Bratz ist ihr Name, was so viel heisst wie Göre. Sie hat die langen Beine von Barbie, Busen und Hüften sind flacher geworden, aber dafür sind die Lippen aufgeschwollen. Am liebsten trägt sie bauchfrei und trippelt auf hohen Plateausohlen herum. Wie hübsch. Können wir bitte die alte Barbie zurückhaben? Die war wenigstens zu realitätsfern, um wahr zu sein. Aber das ist offenbar ein ganz unangemessener Wunsch. In der herben Wirklichkeit werden, einer englischen Studie gemäss, Barbies oftmals von ihren Besitzerinnen regelrecht gefoltert. Sie werden verstümmelt, manchmal in der Mikrowelle geschmort und in Extremfällen sogar enthauptet. Viele würden diese „Barbie-Folter“ als ganz normal, sogar als cool ansehen. Vielleicht sollte man ihnen verbieten, im Fernsehen die Nachrichten anzuschauen.

 

Wer mag da noch eine Barbie sein. Von Schlampen ausgetrickst, von ihren Besitzerinnen umgebracht und neuerdings auch ideologisch bedrängt. Von einer muslimischen Konkurrentin, aus dem Mittleren Osten, mit Namen Fulla. Sie sieht ihr, was die Proportionen angeht, zwar ähnlich, nur der Busen ist kleiner. Aber während Barbie in kurzen Röcken und Stöckelschuhen shoppen fährt, trägt Fulla immer einen knöchellangen Mantel und ein Kopftuch. Sie ist, laut Hersteller, „muslimischen Werten“ verpflichtet. Einen Freund hat sie nicht. Bald werden zwei berufstätige Fullas auf den Markt gebracht, eine Ärztin und eine Lehrerin. Ach, kann da Barbie nur seufzen, wie rückständig!

 

Silvia Strahm Bernet

 

 

© Silvia Strahm 2017 / Essay