„Bitte Kopf schütteln“

 

Das braucht man mir nicht zwei Mal sagen. Ich bin trainiert. Ich tue es freiwillig. Jeden Tag, mindestens ein Mal. Manchmal häufiger. Meist alleine. Leider. Verboten ist es nicht, nur nutzlos. Das Kopfschütteln erzeugt keine Reime, nicht auf mich, nicht auf die Welt. Da kann ich schütteln, wie ich will.

 

Kopf schütteln kann man ernten. Wie Früchte. Man braucht nur alles etwas durcheinander zu bringen. Auseinander zu nehmen und neu zusammenzusetzen. Das reicht schon. Gedanken aufstellen, wie Dominosteine, und antippen. Das ergibt die eigenwilligsten Muster. Man muss etwas verrückt sein, um sie zu verstehen.

 

Kopf schütteln ist nicht gleich Kopf schütteln. Richtiges Kopfschütteln ist eine Frage des Charakters. Nicht alle besitzen einen. Manche verstecken ihn und vergessen, wo sie ihn versteckt haben. Das passiert leicht. Ihn wiederzufinden kann ein Leben ausfüllen. Aber man hat ja nie Zeit.

 

Es gibt Kopfschüttler, denen ist der Kopf schwer und fällt immer wieder auf die Brust. Man nennt es nicken. Alles andere ist zu anstrengend.

 

Es gibt Kopfschüttlerinnen, denen ist der Kopf nur im Horizontalen beweglich, ein dauerndes Hin und Her. Zum schwindlig werden. Manchmal wird ein Nein daraus. Unverständnis ist, was den Kopf in Bewegung hält. Mangelnde Einwilligung in das Gegebene. In das Unvermeidbare. Die Realität eben. In der Regel bleibt es dabei. Der Kopf ist beweglich, aber die Füsse gehen ihren gewohnten Gang. Irgendwie weiter. Was soll’s. Nicht zum Aushalten unverständlich ist vieles. Man ist nicht da, dies zu ändern.

 

Kopfschütteln ist anstrengend. Nicht jeder besitzt die nötige Kondition. Hat man einmal damit begonnen, hört man nur schwer wieder auf. Die Gründe liegen nur so herum. Türmen sich zu Hindernissen. Man muss gehörig schütteln, um mit dem Kopf eine Lücke zu schlagen. Ohne Kratzer geht es nicht. Man kann sich den Kopf einschlagen dabei. Besser den eigenen. Alles in allem. Aber besser für wen?

 

Kopf schütteln ist die sanfteste Form der Anarchie. Manchmal dauert sie nur Sekunden. Das ist nicht nichts. Unordnung ist aller Veränderung Anfang. Der kleinste Riss im Gedankenhaus genügt, um sich zu erinnern, dass nichts fest ist. Nicht für immer. Hält Gewohnheit das Ganze zusammen, herrscht schnell Einsturzgefahr. Manchmal ist es gut so. Dass es zusammenfällt. Neue Möglichkeiten fügen sich zusammen. Das Lückenhafte bleibt.

 

Kopf schütteln ist eine ernste Sache. Wenn man es ernst nimmt. Meist ist es ein Reflex. Zu schnell da, zu schnell wieder weg. Wie man selbst. Das kleine Loch im Selbstverständlichen rasch gestopft. Mit Routine. Der läuft man hinterher wie ein Hund.

 

Kopf schütteln ist ein Witz. Schlussendlich ist es ein Witz. Die Welt gerät nicht ins Wanken. Nur man selbst. Es ist zum Lachen. Könnte man doch stattdessen die Welt schütteln. Nicht damit alles einstürzt. Nur neue Muster sollen sich zeigen. Der Wind soll hindurchfahren, das Wunder soll endlich geschehen.

 

Kopf schütteln kann man verschenken. Wie ein kostbares Gut. Als Etüde, als Vorübung für das eigentliche Spiel. Das Ernst verlangt und das Gute will. Und ohne Lachen nicht auszuhalten ist.

 

Emil Manser hat sie komponiert, die Etüden für Kopfschüttler. Damit wir die Leichtigkeit nicht verlieren im Schweren. Die Komik erinnern im Ernst und, wo es Not tut, zum Schluss ein Nein zustande bringen.

 

Silvia Strahm Bernet

 

 

Beitrag im Buch über eines der Stadtoriginale Luzerns: Emil Manser

 

© Silvia Strahm 2017 / Essay