Achtung, kein Lebensmittel!

 

An und für sich mag ich Menschen. An und für sich sind die meisten die meiste Zeit ganz in Ordnung. Aber die meiste Zeit ist nicht die ganze und sie hat Lücken, dort regiert der Wahnsinn und die Dummheit schlägt Purzelbäume und der Zynismus sitzt da und schaut zu. Das ist nicht lustig. Das ist zum Verzweifeln. Wenn man will, kann man das nicht nur heimlich denken, sondern auch laut sagen, aber auf eigene Verantwortung! Als böswillig oder bedauernswert gilt, wer das Bunt-Erfreuliche nicht mehr sieht und wem die Welt bisweilen in düsteren Farben versinkt. Das kundzutun, ist seelische Belästigung, und man darf sich nicht wundern, kriegt man ab und zu rechts und links eins hinter die Ohren. Man muss sich eben zusammenreissen, das Positive sehen, sich Hoffnungen machen! Mit der richtigen Einstellung, kein Problem! Bastelanleitungen werden geliefert. All das Schöne, all das Gute – ausschneiden und zusammenfügen und es schützt und wärmt Kopf und Herz. Das ist doch wirklich nicht so schwer. Nur die Skepsis mit ihrem Hang zur Verzweiflung, die glaubt nicht recht, dass sich das Gute immer so ohne weiteres vom Schlechten trennen lässt. Die weiss nicht immer, was das Positive ist. Ein Beispiel: Die Bomben und Lebensmittelpakete über Afghanistan. Lebensmittelpakete sind gut, Bomben schlecht. Ja? Aber was, wenn die Lebensmittelpakete auf die Minenfelder fallen, mit denen das Land übersät ist? Und was erst, wenn die Lebensmittelpakete aussehen wie die nichtdetonierten Bomben? Gelb alle beide, die Bomben in der Form von Soft-Drink-Büchsen, durchaus attraktiv, vor allem für Kinder? Via Radio wird die Bevölkerung inzwischen über den Unterschied aufgeklärt und die USA versprechen, nicht mehr beides am selben Ort abzuwerfen. Vielleicht müssten sie auch Radios abwerfen. Oder auf die Bomben schreiben: Achtung, kein Lebensmittel! Das immerhin müsste man todernst nehmen.

 

Die meiste Zeit sind viele von uns wahrscheinlich ganz in Ordnung. Aber immer häufiger finde ich unsereins zum Verzweifeln.

 

Silvia Strahm Bernet

 

 

© Silvia Strahm 2017 / Essay