Angstmacher

 

Die Angstmacher sind in Hochform. Voller Eifer zählen sie uns auf, was so nicht mehr geht und womit wir demnächst werden rechnen müssen. Meist ist es nicht das Schlimmste. Aber schlimm genug. Wir sind zu verwöhnt geworden, sagen sie, und damit ist es jetzt vorbei. Man kann, woran wir uns so fraglos gewöhnten, nicht mehr finanzieren. Was grossartige Errungenschaften waren –  AHV, IV, ein gutes Gesundheits- und Bildungswesen u.v.m. –, macht man uns inzwischen beinahe als Luxus weis, den wir uns in der gewohnten Art, leider, nicht mehr leisten können. Man predigt uns Bescheidenheit und Selbstverantwortung, vorab jene, deren Löhne, Bonusse und Abfindungen gut und gerne für mehrere Leben reichten. Täglich fügt man neue Drohungen hinzu, die sich zu einem Dunkel summieren, das immer mehr ängstigt. Haben wir jahrelang geschlafen? Werden wir jetzt wachgerüttelt ins wirkliche Leben? In ein Leben im Dienste der Marktgesetze, den strengen, die gnadenlos bestrafen, wer ihnen nicht gehorcht? Vor denen wir alle Opfer sind und wo es keine Täter mehr gibt, nur  Sachzwänge. Dass hiervon jemand profitieren muss, wissen wir. Jährliche Milliardengewinne sprechen dafür. Aber das ist alles ja viel komplizierter, sagt man uns, und von Ökonomie verstehen wir sowieso nichts. Und das ist auch besser so. Wollte man, dass wir etwas davon verstünden, wäre sie längst Schulfach geworden. Aber wer nichts weiss, glaubt mehr, etwa, dass wir Entwicklungen verschlafen haben, zu viel fordern, zu wenig leisten, zu verwöhnt sind, zu naiv und überhaupt selber Schuld. Und, wer es noch nicht weiss: Die Wirtschaft ist nicht um der Menschen willen da, sondern wegen der Rendite. Und die nützt irgendwie allen, aber eigentlich doch nur wenigen. Das verstehen wir doch. Die Menschen sind der Wirtschaft nach wie vor lieb, bloss zu teuer, nicht die oben, die können nicht teuer genug sein, aber die unten, der Ballast eben, der die Rendite schmälert. Das ist brutal, aber wahr. Unsereins kann das nicht begreifen? Macht nichts, und das wusste schon Montaigne, „nichts wird so fest geglaubt wie das, was wir am wenigsten wissen“.

 

Silvia Strahm Bernet

 

 

© Silvia Strahm 2013 / Essay