Bestseller

 

Dan Brown hat ihn geschafft. Den Bestseller. Ein bisschen Christentum, Kunstgeschichte und Verschwörungstheorie, ein Kelch, ein paar Bilder und Jesus mit der Maria Magdalena. Als Krimi Mittelmass, im Erfolg phänomenal. Was daran stimmt, erfunden ist oder halbwahr, es spielt für die Mehrheit der Lesenden keine Rolle. Wer historische Fakten will, soll ein Fachbuch lesen!

 

Was den Leute gefällt, ist, was sie sich wünschen: dass die  Welt voller Zeichen ist und geheimnisvoll, dass alles, was man weiss, auch ganz anders sein kann und neu zu entdecken. Und vor allem: dass das ewige Misstrauen der katholischen Kirche gegenüber Sexualität und Erotik der historischen Grundlage entbehrt: ihr Erlöser war kein asexueller Mann, sondern hatte durchaus ein Liebesleben und sogar ein Kind. Das gefällt. Ein bisschen ist er doch wie wir. Wir gönnten es ihm und damit auch uns.

 

Wieso hat kein Theologe, keine Theologin dieses Sakrileg geschafft? Ein Zuviel an Skrupeln, keine Phantasie, zu wenig Mut und Energie, der Kirche unter die Röcke zu schauen?

 

Obschon man so tief sich gar nicht hätte bücken müssen. Auch der allen vorliegende biblische Stoff ist durchwegs bestsellerfähig: Intrigen, verrückte Ideen, Aufruhr, Mord, Erotik, Macht, Rebellion, Wunder und andere Unerklärbarkeiten. Man bräuchte nur zuzugreifen und alles ein wenig neu zu mischen, ein bisschen Geheimnis, ein bisschen Historie dazuzugeben und nachher die Aufklärung folgen zu lassen. Aber eben. Irgendwie hat man es verpasst.

 

Trösten kann man sich vielleicht damit: Der grösste Bestseller aller Zeiten ist und bleibt in den eigene Reihen, denn das ist nach wie vor die Bibel. Da kann Harry Potter zaubern so viel er will und Herr Langdon entziffern, was es zu entziffern gibt. Zugegeben: ihr Unterhaltungswert ist geringer, spannend ist sie nur bedingt, die Bösen gewinnen und die Guten sterben und das Happy End ist aufgeschoben, aber wenigstens hielte sie uns unruhig und wach.

 

Silvia Strahm Bernet

 

 

© Silvia Strahm 2006 / Essay