Weihnachten – eine Romanze

 

Weihnachten – ein altes Stück, Jahr für Jahr neu gespielt. Unzählige Statist/innen, vier Hauptrollen: Eine Frau, sehr jung, ein Kind, eben geboren, ein Mann, seine Rolle bleibt unklar und als Viertes: ein unerklärbares Mehr, ein zusätzliches Wunder im Wunder, das jedes Kind ist.

 

Das Wunder im Wunder: In die Welt wird, mit diesem Kind, ein neuer Anfang gesetzt; das Unmögliche wird möglich, der Himmel steigt auf die Erde. Und das Unmögliche, einmal in der Welt, bleibt, auch wenn es sie nur kurz aus dem Tritt bringt. Es bleibt die Ahnung, dass es anders sein kann zwischen den Menschen und dass, wie es ist, nicht auf ewig bleibt.

 

Das Wunder im Wunder zu sehen ist schwer. Tag für Tag zu viel Welt. Zu viel Normalität, auch im Schrecken. Hinter den Dingen vermuten wir nicht viel mehr, als wir schon wissen. In der Mehrzahl Ungeübte im Staunen, wirbelt uns dieses alte Stück kaum mehr unsere Leben durcheinander. Das Vergessene, unter der Oberfläche der Routine, bleibt dort liegen, wo wir es fallen gelassen haben. Auf dem Grund. Unten, im Dunkeln. Einmal im Jahr erinnert, entwickelt es zu wenig Kraft, um das, was seinen Gang geht, anzuhalten.

 

Wenn es um Glauben geht, sind wir alle Fischer im Dunkeln, schreibt der amerikanische Autor John Updike, und das Rucken am anderen Ende der Schnur muss geduldig herangeholt werden, mit Fingerspitzen. Im Dunkeln die Angel auswerfen und warten, dass das Wunder geschieht. Und dass wir das Wunder im Wunder sehen, an Weihnachten, in einem Kind, von dem erzählt wird, dass in ihm aufscheint, was man vereinfachend Gott nennt: Die Freiheit im Notwendigen, das Gerechte im Ungerechten, die Liebe in der Gleichgültigkeit, das Leben im Tod.

 

Weihnachten, dieses Stück vom Wunder im Wunder, man kann es lesen als Geschichte gegen die Verzweiflung, „die verzweifelt, weil sie nicht wirklich daran glaubt, dass es im Universum Sinn und Bedeutung gibt; daher kann sie nirgendwo eine Romanze entdecken“ (Chesterton).

 

Weihnachten – wieso nicht eine solche Romanze? Wider jede Vernunft und Gewöhnung eine Liebesgeschichte zwischen Himmel und Erde, die sich begehren und nicht voneinander lassen können.

 

Silvia Strahm Bernet

 

 

© Silvia Strahm 2017 / Kolumne