Feministinnen für das Jahr 2000

 

Wissen sie, was spinnenbeiniger Feminismus ist? Ist eigentlich auch egal, jedenfalls ist es etwas Ekelhaftes, Hässliches. Man möchte am liebsten drauftreten und das Ganze in den Abfall werfen, mit spitzen Fingern. Igitt. Spinnenbeiniger Feminismus ist das, wovon Männer, die klugen, aufgeklärten, die in den Feuilltons zuhause sind, die Nase voll haben. Ihr Credo scheint zu lauten: Wer zuviel von Unrecht spricht, jammert. Jede längerfristige Auseinandersetzung damit ist eine Verschwendung von Intelligenz. Wer andern auf die Nerven geht, kann nicht recht haben. Ich frage mich, welche Vorlieben wohl diese Herren haben mögen: behagt ihnen vielleicht ein muskulös-langbeiniger Feminismus oder doch lieber ein seidenweich-zarter? Vielleicht einer ganz ohne Beine, damit man in Ruhe reintreten oder dranpinkeln kann – im Vorbeigehen? Oder vielleicht am liebsten überhaupt keiner? Vielleicht ist ihr allerliebster Feminismus der stille, schweigende, tote Feminismus. Und damit das alles schneller geht, gibt es ja, neben verbalen Attaken, jede Menge Hilfen – Wirtschaftskrisen, Wertewandel, Einschüchterungen.

 

Ab und zu helfen auch Frauen kräftig mit. Schon lange vergreife sich kein kluger Mann mehr an Feministinnen, hat Alice Schwarzer einmal bemerkt, Frauen machten Frauen fertig, das sei die Devise. Und eine, die dann erst noch gewohnt ist, mit den Fäusten zur Sache zu kommen, der kann es, so scheint es zumindest, auch nicht allzu schwerfallen, verbal kräftig zuzulangen – ein Beispiel dafür war unlängst im "Spiegel"(25/1995) nachzulesen. Der "Fight" gegen "die Feministinnen", den uns jene Boxerin lieferte, war zwar kein Kampf der Superlative, eigentlich gar keinen Kampf mit Regeln und Stil, sondern eher eine Hinterhofschlägerei. Aber um Applaus muss man nicht besorgt sein. Und schon das allein ist ein Nachdenken wert.

 

Das harte Geschlecht

 

Feministinnen, das wissen wir nach diesem Artikel mit dem programmatischen Titel "Das harte Geschlecht" der Autorin und Boxerin Rene Denfeld, sind "lieb, egalitär, voller Wohlwollen und Schwesterlichkeit." Sie wären, entsprächen sie ihren eigenen Träumen, fürsorglich, mütterlich, friedliebend und selbstlos. Sie würden "mit Sicherheit nie Bier trinken und unter der Bettdecke furzen". Sie wären nicht rücksichtslos, nicht ehrgeizig und, Gott behüte, nicht aggressiv – besonders nicht im Bett. Feministinnen sind, teil man Denfelds Optik, im Gegenteil zahm, tragen lila Latzhosen, demonstrieren für den Weltfrieden und eine saubere Umwelt und sind, kurz gesagt, "zu gut, um Böses zu tun, zu gut, um Spass zu haben". Eins, zwei, drei – fertig ist das Bild, fertiggemacht die Frau, die, ausgestattet mit dem verstaubtesten antifeministischen Kostüm, geradezu zur Verachtung einlädt. Wer wollte da noch Feministin sein. Und: Wo kriegte sie bloss die lila Latzhosen her?

 

Da ist doch das Frauenbild der Zukunft, nein nicht das Bild, besser die Frau mit Zukunft, die uns Denfeld in ihrem Text entwirft, wesentlich attraktiver, gerade auch für Männer, die sich nur noch die Finger abschlecken können nach solchen Frauen. Wie sieht sie also aus, diese Frau, die, wohlgemerkt, die politischen Ziele des Feminismus teilt?

 

Wesentlichster Unterschied ist, wenn man den Ausführungen von Denfeld folgt, der Sex, der Spass am Sex, weil das Hauptmerkmal der Feministinnen ist ja ihre Prüderie und dass sie den ganzen Tag vor Pornoläden demonstrieren und keine heissen, sexuellen Phantasien haben, in denen Gärtner und Handschellen vorkommen.

 

Die Frau mit Zukunft säuft, raucht, bumst bis zum Umfallen und verlangt dennoch (ist das etwa eine klitzekleine Konzession an moralische Fragestellungen?) Respekt von Männern und von Frauen. Sie ist rauh, ordinär und geil; aggressiv und rücksichtslos, "wenn sie meint, dass sie das weiterbringt". Und überhaupt kurzer Rede langer Sinn: "Warum sollen nur Männer den ganzen Spass haben?"

 

Eine gute Frage, wenn es um Spass geht.

 

Was diese Frau hier einerseits als Feminismus denunziert und andererseits als Zukunftsperspektive für Frauen entwirft (sollten sie jung genug dafür sein), ist eigentlich eine schrille Bühnenvariante, eine Karikatur auf die Schnelle, nervtötender Puritanismus hier und ein aufregendes Leben da, mordsmässig modern – fast wie in den 20er Jahren.

 

Dennoch formuliert sie damit etwas, das auch von anderer Seite bestätigt wird, die Tatsache nämlich, dass der Feminismus in vielem politische Fortschritte erzielte, imagemässig aber versagte. In ihrem Buch "Die Stärke der Frauen" sieht die amerikanische Autorin Naomi Wolf den Grund hierfür darin, dass der Feminismus zu stark ein "Opfer-Feminismus" gewesen, mit seinem Dogmatismus zu stark das Privatleben der Frauen tangiert habe und ihrer Individualität nicht gerecht geworden sei. Was Not täte, sei ein "Power-Feminismus", ein Feminismus des Optimismus und der Stärke. "Wir müssen anfangen, wie Siegerinnen zu denken" rät sie den Frauen. Sie müssten endlich damit aufhören, die eigene Macht zu unterschätzen – ein Fehler, den Männer nicht begingen. Den Sieg, der möglich sei, zu denken – das sei imgrunde das Nike-Prinzip. Und sie denkt bei Nike nicht etwa an die griechische Siegesgöttin, sondern an die amerikanische Sportschuhfirma, deren Werbung sie für gelungener und effizienter hält als alles, was Feministinnen bislang zu vermitteln gelang. Das Nike-Prinzip der Turnschuhwerbung lautet kurz und bündig: "Tu's einfach" – wohl die kürzeste feministische Theorie aller Zeiten.

 

Wie Siegerinnen denken

 

An Optimismus scheint es den Amerikanerinnen nicht zu mangeln, auch nicht an der Fähigkeit, komplizierte Sachverhalte so zu formulieren, dass die Welt auf etwas Handliches schrumpft, das problemlos in die eigene Tasche passt. Trotzdem hat es etwas für sich. Wie Siegerinnen zu denken, macht zwar noch lange keine Siege, ist aber sicher weiterführender als die nach wie vor von (allzu)vielen beherrschten Selbstherabsetzungs- und Erfolgsvermeidungsstrategien. Zumindest gilt das für all jene, in deren Reichweite – beispielsweise aufgrund von Privilegien wie ausreichendem Einkommen, guter Ausbildung, von Zukunftsperspektiven ganz allgemein – solche Siege tatsächlich liegen.

 

Das Programm von Wolf könnte einem in seiner Einfachheit gefallen, bloss die Schläge unter die Gürtellinie à la Denfeld wären nicht nötig. Wir glauben ja auch so, dass die jungen Frauen die Welt und ihre Zukunft darin anders sehen als wir. Leise Zweifel könnten einen höchstens noch angesichts der Vermutung überkommen, dass das, was uns jenseits der "kitschig-verklemmten Utopien"(Denfeld) der Feministinnen erwartet, eigentlich nichts anderes als "ganze Kerle" sind.

 

Natürlich verstehen sie sich keinesfalls als Männerimitate, diese unbeschreiblich weiblichen "neuen Frauen", die sich nicht mehr Frauen, sondern "Girlies" nennen, diese Mädchen mit den Allüren von Kerlen, ausgerüstet mit Kampfstiefeln und wippenden Röckchen, mit frechem Maul und Unnachgiebigkeit, mit Sexappeal und festen Berufszielen . Sollten sie mehr sein als eine Erfindung von Trendmagazinen und Modeindustrie und ihren Siegeszug tatsächlich antreten, so kann uns das nur recht sein. Vielleicht werden wir, heimlich, wenn uns niemand sieht, die Schränke unserer Töchter plündern, uns die Stiefel schnüren, nur so, zum Spass und nur allzu gerne glauben, dass, wenn ihr Wille so fest ist wie ihr Schritt, das nächste Jahrtausend ihnen gehört.

 

Silvia Strahm Bernet

 

 

© Silvia Strahm 2017 / Kolumne