Das F-Wort

 

Wer es benutzt, ist selber schuld. Natürlich nur, wer es nicht mit Spott und Hohn würzt, als Schlagstock verwendet, einer anderen ins Gesicht klatscht und ordentlich deutlich macht, wie peinlich es wäre, mit so etwas Unappetitlichem in Verbindung gebracht zu werden.

 

Verspricht die alte Bedeutung des Wortes viel fun, so ist in seiner neueren Bedeutung no fun absolut garantiert, denn es ist geradezu auf Spassverderben programmiert. Während fuck and fun sich noch halbwegs reimen, so versagt das unsägliche Wort Feminismus in den Kategorien Sprachmelodie und Glücksverträglichkeit. Er gehört zwar zu den Heilmitteln, verspricht Schmerzlinderungen aller Art, aber zu den Risiken und Nebenwirkungen täte man besser daran die Packungsbeilage zu lesen oder seinen Arzt oder Apotheker zu fragen. (Befindet man sich gerade auf dem Weg nach oben, könnte der im Feminismus enthaltene Wirkstoff Parafemizin zu unangenehmen Nebenwirkungen führen wie Schlaflosigkeit, Desorientierung, übersteigerte Sensibilität, Appetitverlust, Magenschmerzen, Verfolgungswahn und in schlimmen Fällen gar Stellenverlust.)

 

Bloss dass es keine warnenden Packungsbeilagen gibt und keine richtige Dosierung, die jenes Feminismussymptom heilt, das Gerechtigkeitssinn heisst und jeden Arzt und jede Apothekerin überfordert, weil dieses Übel nicht organischer Natur ist. Überdies herrscht auch Verwirrung darüber, ob es sich beim Feminismus um ein Heilmittel oder eine geistige Krankheit (da nicht organischer Natur vgl. oben!) handelt oder ob er gar jenen Bewusstseinszuständen zuzuordnen ist, die sich in einer unangepasst wachen Wahrnehmung von nicht legitimen Machtverhältnissen, von unlauteren Arrangements mit Unrechtssituationen und Privilegienwirtschaft und einem weitverbreiteten Mangel an Phantasie äussern.

 

Gehen wir einmal von der wahrscheinlicheren Annahme aus, dass es sich beim Feminismus um eine typische Frauenkrankheit handelt, so muss auch eingestanden werden, dass es für die damit Infizierten recht lange kaum wirklich Aussicht auf Heilung gab, da sowohl Schul- als auch Alternativmedizin mehr oder weniger machtlos blieben. Selbst Selbsthilfegruppen schienen nicht viel ausrichten zu können, sondern im Gegenteil das Problem eher noch zu verschärfen. Hoffen konnte man allenfalls auf den Faktor Zeit und auf jene Fülle von Frauenzeitschriften und Ratgebern, die die Frauen zwar nicht ganz vor Feminismusinfektionen bewahren konnten, aber ihnen zumindest mit kosmetischen und modischen Tipps zur Seite standen, damit sie, krank hin oder her, wenigstens gut aussahen.

 

Aber malen wir nicht zu schwarz; es gibt im Kampf gegen diese perfide, weil nicht immer als Krankheit erkennbare Störung auch Erfolge zu verzeichnen. Was bisher am besten funktioniert hat, ist: Dämpfen der Symptome durch kleinere positive Veränderungen im Umfeld der Patientinnen, konzentriertes Zuhören und gelegentliches Nicken, damit die Patientinnen spüren, man nimmt sie ernst (gelingt das, braucht es eigentlich nicht viel mehr), aber auch Stärkung des Immunsystems der Betroffenen selbst; gute Erfahrungen wurden gemacht mit der schrittweisen Hinführung zu der Einsicht, dass die Krankheit eigentlich eine "eingebildete" ist und weniger mit der Realität als vielmehr mit narzisstischen Kränkungen, Versagensängsten und Überforderungen zu tun hat.

 

Es hat sich überdies gezeigt, dass die grössten Heilungserfolge, so eigenartig das auch klingen mag, durch Erfolg selbst zu erzielen sind. Geld, Karriere, Erfolg, das ist inzwischen ein Gemeinplatz, machen gesund! Nicht nur gesund, sondern auch sexy! Was will frau mehr? Gerade bei jungen Frauen ist diese Methode der absolute Hit. Feminismuserkrankungen treten entweder gar nicht mehr auf (sie sind überdies, wie neuere Forschungsergebnisse belegen, zum Glück nicht vererbbar!) oder sie verschwinden bei gelungenen Karriereschritten meist innert kürzester Zeit ganz von selbst. Ein grosses Aufatmen geht durch die Lande: Nie mehr

 

Feminismusdiskussionen, Genderdebatten, kulturrevolutionäre Utopien, Quotenabstimmungen und Frauenförderungsabsichten, Schluss mit Opferpower, Lamentieren und Abschieben von Verantwortung auf Männer, fehlende Strukturen, gläserne Decken, Frauenverachtung und tausendfache Benachteiligungen – die Frauen sind inzwischen immun gegen den Virus Feminismus. Sie sind gesund, stark, autonom, und sie schaffen alles aus eigener Kraft und wenn nicht, sind sie selber schuld. Die Türen stehen sperrangelweit offen, die Männerarme sowieso, und die sexy erfolgreichen Frauen brauchen nicht mal nett zu sein, nur tough und sie dürfen alles sagen, sogar fuck, nur jenes andere kleine F-Wort vermeiden sie, grosse Freiheit hin oder her, besser nach wie vor, denn es erinnert an jene Prise Kampfgeist, die mit MEHR nicht in erster Linie Geld und jede Menge Konsumgüter meinte, sondern ganz altmodische Dinge wie Gerechtigkeit, Respekt und Verantwortung für das Ganze. Krank, oder?

 

Silvia Strahm Bernet

 

 

© Silvia Strahm 2003 / Kolumne