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mächtig stolz

 

Grusswort von Priorin Irene Gassmann, Kloster Fahr, an der Vernissage des Buches «mächtig stolz» am 18.05.2022 im Fraumünster Zürich

 

Liebe Anwesende

 

Herzlichen Dank für die Einladung, heute Abend hier zu sein und ein Grusswort an Sie zu richten. Das mache ich sehr gerne.

 

Ich bin mächtig stolz, dass an diesem Ort, an welchem über mehrere Jahrhunderte Benediktinerinnen gelebt und gewirkt haben, die Vernissage von einem umfangreichen Buch über Frauen-Kirchen-Geschichte stattfindet.

 

Wie gerne würde ich jetzt mit der einen oder andern Frau-Münster-Frau von damals ins Gespräch kommen.

Ich würde gerne von diesen Frauen hören und lernen: Wie haben sie Kirche erlebt?
Wie konnten sie als Frauen im Mittelalter die weibliche Spiritualität leben?
Konnten sie Kirche mitgestalten?
Wofür haben sie gekämpft?
Wo sind sie an Grenzen gestossen?
Was haben sie erreicht?
Welche Erfahrungen würden sie mit uns Frauen vom 21. Jahrhundert teilen, um uns zu ermutigen?

 

Leider können wir diese Frauen nicht mehr fragen. – Und leider wissen wir auch wenig über ihr Leben, ihr Ringen und ihr Gestalten in der Kirche. Vieles bleibt uns verborgen, es ist ungeschriebene Frauen-Geschichte.

 

Damit neuere Frauen-Kirchen-Geschichte nicht verloren geht, dürfen wir heute diese Vernissage feiern.

 

Als Benediktinerin vom Kloster Fahr am Rand der Stadt Zürich – und somit quasi als Schwester der Frau-Münster-Frauen – kann ich sagen:
Ich bin mächtig stolz auf all die Frauen, die in den vergangenen vierzig Jahren in unserem Land Kirche gestaltet und entwickelt haben. Sie haben Boden bereitet für kommende Generationen.
Ich bin stolz über die Vielfalt von kirchlichem Engagement all der Frauen, die in diesem Buch gesammelt und aufgeschrieben sind.

 

Ich bin auch mächtig stolz über den Titel dieses Buches. Er ist so überraschend, ehrlich, mutig und kraftvoll. Ja, er gefällt mir ausserordentlich!

 

In der Benediktsregel lesen wir zwar:
Eine Benediktinerin soll nicht stolz sein.

 

Heute bin ich stolz. Und bin es von Herzen, ja ich bin sogar mächtig stolz.

 

Mit diesem Stolz verbinde ich eine grosse Dankbarkeit für all die Wegbereiterinnen, die durch ihr Engagement in und für die Kirche den Weg für die feministische Dimension eröffnet und somit eine kirchliche Vielfalt ins Spiel gebracht haben. Ich danke all diesen Frauen für das Dranbleiben und Weitergehen, auch wenn es anstrengend und ermüdend war, ja vielleicht zeitweise aussichtslos schien.

 

So möchte ich all diesen Frauen einen Text von meiner Mitschwester, Silja Walter, widmen. Er scheint mir treffend für das mutige und unermüdliche Vorwärtsgehen vieler Kirchen-Frauen:

 

Keine Aussicht
aussichtslos hat man zu gehen
umkehren geht nicht
das Leben liegt immer vorne.

 

Vorne, am Ufer, dort werden wir singen.
Mirjam tanzt schon da vorne
mit allen Frauen der Welt. (GA Band 8, S. 282)

 

 

© Irene Gassmann, 18. Mai 2022